#1: Herausforderungen beim Brandschutz im Industriebau | Im Gespräch mit Michael Hamacher
Shownotes
Über die Folge: Michael Hamacher ist Geschäftsführer bei HAMACHER - Ingenieurbüro für Brandschutz in Mönchengladbach. Mit seinem Team ist er schwerpunktmäßig im Industriebau tätig.
Michael Hamacher erklärt, was Industriebauten überhaupt ausmacht, welche besonderen Herausforderungen sie mitbringen und wie wichtig Brandschutzmaßnahmen sind, um Risiken zu minimieren und die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten. Dabei geht es auch um die Rolle der Brandschutzplanung und die Notwendigkeit, diese frühzeitig in den Planungsprozess einzubinden.
Neue Technologien wie Lithium-Ionen-Batterien, automatisierte Lagersysteme und große Logistikflächen bringen besondere Herausforderungen für den Brandschutz mit sich: Es werden Brandrisiken angesprochen und Lösungsmöglichkeiten vorgestellt. Auch die Muster-Industriebau-Richtlinie als Planungsgrundlage wird im Gespräch gründlich durchleuchtet und bewertet.
Über den Podcast: Chefredakteur André Gesellchen spricht mit führenden Fachleuten über aktuelle Herausforderungen und innovative Lösungen im Brandschutz. Ob neue Vorschriften, technologische Trends oder bewährte Maßnahmen – wir gehen den Fragen nach, die die Branche bewegen. Sie erhalten spannende Einblicke und praxisnahe Tipps, um Leben zu retten und Sachwerte zu schützen.
In Staffel 1 sprechen wir in 6 Folgen mit verschiedenen Expertinnen und Experten über den Brandschutz im Industriebau.
Werbepartner: Staffel 1 wird unterstützt von Hekatron, Ihrem Lösungsanbieter im anlagentechnischen Brandschutz: https://www.hekatron.de
Transkript anzeigen
Intro: Hier ist FeuerTrutz On Air, der Podcast für den vorbeugenden Brandschutz. Diese Staffel wird unterstützt von Hekatron, ihrem Lösungsanbieter im anlagentechnischen Brandschutz.
André Gesellchen: Hallo und herzlich willkommen zur ersten Folge von FeuerTrutz On Air, dem neuen Podcast für vorbeugenden Brandschutz. Ich bin André Gesellchen, Chefredakteur bei FeuerTrutz. Und in der ersten Staffel dreht sich alles den Brandschutz im Industriebau. Zum Auftakt begrüße ich heute Michael Hamacher. Er ist Geschäftsführer der Gesellschaft der Ökotec Gruppe und unter anderem schwerpunktmäßig im Bereich Industriebau tätig. Herr Hamacher, herzlich willkommen.
Michael Hamacher: Guten Tag, Herr Gesellchen. Herzlichen Dank.
André Gesellchen: Ja, erklären wir doch direkt mal die Frage, wie relevant unser heutiges Thema und unser Staffelthema wirklich ist aktuell. Brandschutz im Industriebau, die Baubranche, die ist ja schon länger in einer Krise. Wir haben relativ wenig Neubauten, die genehmigt werden. Das betraf aber in der Vergangenheit weniger den Industriebau. Jetzt sehen wir aber auch, wir haben eine veritable Wirtschaftskrise. Wir hören jetzt gerade im Herbst 2024 davon, dass beispielsweise VW vielleicht Werke schließt und viele Mitarbeiter entlassen muss. Also wie läuft denn der Industriebau aus Ihrer Sicht noch? Werden noch viele Industriebetriebe geplant und auch gebaut oder haben wir da auch bei den Planern im Bereich Brandschutz inzwischen schon ein Problem?
Michael Hamacher: Glücklicherweise gibt es noch den Industriebau. Wir merken natürlich da auch eine leichte Delle, da nicht mehr auf Vorrat gebaut wird. dieses klassische Erstmal bauen und gucken, wen man als Mieter bekommt. Als Investorengeschäft, das ist momentan sehr rückläufig. In erster Linie wird tatsächlich bedarfsgerecht gebaut. Die Delle, die wir natürlich sehr deutlich spüren, ist der Wohnungsbau. Der ist ja schon eine ganze Zeit rückläufig. Aber im Industriebau machen wir Gott sei Dank noch einiges.
André Gesellchen: Prima. Dann ist das keine akademische Diskussion, die wir heute führen über den Industriebau, sondern das ist noch unterfüttert mit wirklich auch aktivem Geschäft. Aber klären wir vielleicht noch mal die Begrifflichkeit Industriebau. Was genau macht ein Gebäude zu einem Industriebau?
Michael Hamacher: Grundsätzlich ist erst mal jeder Industriebau ein Gewerbebau, aber nicht jeder Gewerbebau ist dann ein Industriebau. Der Klassiker bei den Industriebauten ist die Produktions- und Lagernutzung. Natürlich mit eingestellten Meisterbüros und untergeordnete Bürobereiche drin. Kfz-Werkstätten sind im weitesten Sinne auch noch Bestandteil des Industriebaus, aber eben nicht jeder Gewerbebau. Klassisch natürlich große Logistiker und rein produzierendes Gewerbe. Die Auslöser für die Industriebaurichtlinie war die Fahrzeugindustrie, weil man die Industriebauten mit einer entsprechenden Größe nicht mehr mit den Landesbauordnungen abbilden konnte.
André Gesellchen: Das heißt, wir haben eine große Bandbreite auch von Gebäuden in dem Bereich, denke ich. Können Sie dann noch mal die beiden Enden des Spektrums ein bisschen erläutern? Also was ist denn ein wirklich kleiner Industriebau, der geradezu die Schwelle nimmt und wie sieht ein richtiges Großprojekt aus? Was wird da heute realisiert im Bereich der Industrie?
Michael Hamacher: Das Massengeschäft sind die kleinen Industriebauten. Da reden wir von den Hallen zwischen 1.600 und 1.800 Quadratmetern. Das ist so wirklich das kleinste Level, was auch die Industriebaurichtlinie kennt. Es gibt Bundesländer, die lassen auch noch kleinere Industriebauten zu, die man eigentlich auch mit der Landesbauordnung abbilden könnte, was aber vom Tragwerk her nicht immer abbildbar ist. Insofern kann man da auch die Industriebaurichtlinie nehmen. Andere Länder, Bayern zum Beispiel, sagen ganz klar, die Industriebaurichtlinie gilt erst ab 1.600 Quadratmetern. Das ist so das Grundrauschen im Industriebau und dann geht es hoch bis zu den Großlogistikern, die wir teilweise mit Brandabschnitten von 50.000 und mehr Quadratmetern realisieren können und müssen. Bei der Fahrzeugindustrie, schauen wir mal Richtung Wolfsburg, das sind noch deutlich größere Brandabschnitte möglich. Da reden wir teilweise über sechsstellige Quadratmeterzahlen bei den Grundflächen.
André Gesellchen: Das heißt, so ein Planer, der Brandschutzkonzepte für Industriebauten erstellt, der braucht schon einen flexiblen Werkzeugkasten - auch, um die richtige Lösung zu finden für die sehr unterschiedlichen Herausforderungen, denke ich.
Michael Hamacher: Das ist richtig. Und genau diesen Werkzeugkasten bringt die Industriebaurichtlinie in weiten Teilen mit. Damit kann man gerade dieses Grundrauschen hervorragend bedienen, die kleinen Industriebauten. Das Ganze ist darauf abgestimmt: Was habe ich an brandschutztechnischer Infrastruktur? Daraus entwickelt sich eine Matrix. Da muss man einmal bisschen in die Historie gucken. Angefangen hat die Industriebaurichtlinie mit reinen Brandlastberechnungen ausgelöst durch die Fahrzeugindustrie, wo man gesagt hat, okay, wir brauchen große Brandabschnitte mit wenig Brandlasten. Da war das das Mittel der Wahl. Das Ganze hat man dann weiterentwickelt und hat ein Pauschalverfahren mit einer Matrix eingesetzt. Und dann kann man anhand der Infrastruktur, die man hat, also Infrastruktur bedeutet in dem Fall, habe ich Brandmeldetechnik drin, habe ich eine Löschanlage oder dazwischen eine Werkfeuerwehr in unterschiedlichsten Dimensionierungen, und kann dann in Abhängigkeit auch vom Tragwerk und der Geschossigkeit festlegen, wie groß mein Industriebau bei den einzelnen Branden geschnitten werden darf.
André Gesellchen: Über einige der Themen, die Sie jetzt genannt haben, Werkfeuerwehren beispielsweise, werden wir in anderen Folgen dieser Staffel auch nochmal intensiv reden. Mich würde jetzt interessieren, naja, Brände in Gebäuden vermeiden und wenn man sie nicht ganz vermeiden kann, sie begrenzen und dafür sorgen, dass die Menschen aus dem Gebäude rauskommen, dass wirksame Lösch- und Rettungsarbeiten auch möglich sind. Das haben wir ja immer im Brandschutz als Ziele. Warum ist aber jetzt im Industriebereich ein Brand eigentlich so ein wirklich kritisches Szenario?
Michael Hamacher: Kritisch im eigentlichen Sinne eigentlich nicht, weil wir haben in der Regel aufgrund der Rettungswege, die sich aus der Industriebaurichtlinie ergeben, nahezu keinen Personenschaden im Industriebau. Was wir natürlich haben, ist der Verlust von großen Brandabschnitten, wenn man das Gebäude nicht halten kann oder zumindest den Brandabschnitt. Deshalb ist der Industriebau entsprechend zu betrachten, deshalb sind entsprechende Auflagen in der Industriebaurichtlinie drin. Aber vom Grundsatz her ist es brandschutztechnisch eigentlich ein sehr dankbares Gebäude, weil die Feuerwehr sich nicht schlafende Personen kümmern muss. Entsprechend kann man auch da Erleichterungen in Anspruch nehmen, die ich in der Landesbauordnung nur nicht ziehen kann. Fangen wir ganz einfach bei den großen Brandabschnitten an. Das Ganze geht hin bis zu Einschränkungen beim Tragwerk, Einschränkung bei Rettungswegen... bei der Landesbauordnung sind wir bei 35 Meter Rettungsweglänge am Ende. Die Industriebaurichtlinie kennt darüber hinaus deutlich längere Rettungswege, was eben dadurch begründet ist, dass der Industriebau da zum einen den Bedarf hat, größere Hallen zu bauen, da kann man die 35 Meter bis zum Ausgang nicht mehr abbilden. Und auf der anderen Seite lässt der Industriebau das auch zu, weil wir die Rettungswege trotzdem sicher gestalten können, indem wir raucharme Schichten haben, durch die man immer noch das Gebäude verlassen kann, weil die Gebäude eine ausreichend lichte Höhe haben. Ich habe Hauptgänge, über die ich vernünftig zu den Ausgängen finde etc.
André Gesellchen: Für die Betreiber oder die Unternehmen ist ein Brand natürlich noch aus einem anderen Blickwinkel heraus auch schwerwiegend, weltweit. Das zeigt eine Studie der Allianz - eigentlich haben wir die größten Schäden für Unternehmen aus Bränden. Und es gibt auch Statistiken, die sagen, nur ein Drittel der Unternehmen, denen es brennt, der Industrieunternehmen, in denen es brennt, übersteht diesen Brand langfristig. Und ich glaube, 43 Prozent sind schon nach relativ kurzer Zeit insolvent. Wie einsichtig sind heute eigentlich die Bauherren, wenn der Brandschützer, ich sag mal, die Ecke kommt und sagt, wir müssen hier einiges an Brandschutzinfrastruktur errichten, was ja auch mit Kosten verbunden ist? Ist da viel Verständnis inzwischen da oder hapert es daran doch manchmal?
Michael Hamacher: Da ist in der letzten Zeit tatsächlich viel passiert. Wenn wir früher eine Mittelständler gesagt haben, wie sieht es mit der Ausfallsicherheit aus? Was ist bei Betriebsunterbrechung? Gibt es einen Zweitstandort, der das komplett übernehmen kann oder nicht? Da wurde früher gar nicht drüber nachgedacht. Wenn man damals gesagt hätte, für die Ausfallsicherheit und damit der Betrieb tatsächlich nach einem Brandereignis eine Chance hat, empfehlen wir eine Feuerlöschanlage bei einem Industriebauten, der es nicht braucht, wäre man bei den meisten Bauern vom Hof gejagt worden. Heute ist das so, dass die Mittelständler sensibilisiert sind, auch natürlich durch das Einwirken der Versicherungen und drüber nachdenken. Und es kommt tatsächlich hin und wieder vor, dass wir Industriebauten, die wir nach der Industriebaurichtlinie gar nicht sprinklern müssen, trotzdem sprinklern - einfach um dieses Risiko abzufedern. Man muss ja sehen, wir reden von großen Brandabschnitten. Auch wenn es dann ohne Sprinklerungen vielleicht 4.500 Quadratmeter sind, die man realisiert, da ist dann eine Brandmeldeanlage drin, aber man muss grundsätzlich davon ausgehen, dass eine Feuerwehr das auch mal nicht erhalten bekommt, trotz Brandmeldeanlage, und dann habe ich einen Verlust von 4.500 Quadratmetern. Und dann ist einfach die Frage: Kann ich als Bauherr das Ganze eben wieder aufrechterhalten, obwohl ich diesen Riesenverlust habe? Wie schnell habe ich das Ganze wieder gestemmt? Wenn ich jetzt einen Bauherrn habe, der hat vier oder fünf identische Werke über Deutschland verteilt. Die haben meistens die Chance, bei einem Ausfall von einem Werk zu sagen, okay, jetzt kriegen wir das kompensiert über zwei andere Werke und federn das damit ab. Die haben eine relativ gute Chance. Wenn ich ein Einzelkämpfer bin, mit einem Werk und mir geht ein Brandabschnitt von 4.500 Quadratmetern in Rauch auf, der braucht natürlich erstmal Zeit, um das Ganze wieder ans Laufen zu kriegen. Fängt damit an, dass der Versicherer erstmal zahlen muss, dann muss geklärt werden, ob der überhaupt leistungsbereit sein muss, der Versicherer, und wenn er dann leistet, wie schnell habe ich das Werk wieder aufgebaut. Das ist ja nichts, was innerhalb von ein Tagen passiert. Und wenn der Bau einmal steht, muss ich mir auch die ganzen Maschinen wieder neu beschaffen. Das ist halt so eine relativ große Zeitspanne, bis man wieder voll in den Produktions- oder Lagerprozess kommt. Und in dieser Zeit verlieren wir natürlich auch Kunden unter Umständen an Marktbegleiter und Wettbewerber. Das Ganze abzufedern, ist heute eine Denkweise, die die Mittelständler auch dann sehen und sagen, okay, das Geld für eine Löschanlage nehme ich in die Hand, obwohl ich es baurechtlich auch gar nicht bräuchte. Das rückt immer mehr in den Vordergrund.
André Gesellchen: Das klingt ja schon mal sehr, sehr positiv. Ein anderer Punkt, der ja in der Brandschutzplanung oft auch kritisch betrachtet wird, ist so die Frage, wann kommt man als Planer ins Spiel? So in der Entwicklung der Projekte auch. Wie ist das beim Industriebau? Haben Sie das Gefühl, dass Sie immer zum richtigen Zeitpunkt hier zugezogen werden? Und wenn nicht, und ich vermute nämlich, dass das vielleicht nicht immer der Fall ist, das ist ja der Klassiker, was macht da eigentlich dann die größten Probleme, die man sonst vielleicht hätte abfangen können, schon vorher?
Michael Hamacher: Ja, hier wir den Vorteil, dass im Industriebau die Entwurfsverfasser, sei es Bauingenieure oder Architekten, die sich mit Industriebauten befassen, das tatsächlich auf dem Schirm haben, dass man den Brandschützer früh mitnimmt. Es gibt Planer, die sind auch im Industriebau sehr gut aufgestellt, kennen die Rahmenbedingungen der Industrie-Baurichtlinie. Da ist das nicht so tragisch, wenn man ein bisschen später reinkommt. Wenn man erst mal das Grundstück entwickeln will, zeigt dem Bauherrn schonmal auf, wo die Möglichkeiten sind und nimmt den Brandschützer dazu. Aber der Regel ist es ganz gut, wenn wir früh da reinkommen. Also passiert das erst in der Leistungsphase 3, kann das unter Umständen dazu führen, dass man einfach das Gebäude auf dem Grundstück nochmal anpassen muss. So ein Klassiker, das Grundstück ist ausgereizt und das Gebäude ist dann leider über 5.000 Quadratmeter zusammenhängend groß und wir sagen, okay, da braucht man eine Feuerwehr-Umfahrt, die dann vielleicht übersehen wurde. An der Stelle fangen wir wieder von vorne an, weil die ganze Gebäudekubatur plötzlich nicht mehr aufs Grundstück passt. Das ist dann ärgerlich. Aber wie gesagt, haben wir in anderen Bauten deutlich häufiger. Dass wir erst dazukommen, wenn eine Bauaufsichtsbehörde sagt, es wird ein Brandschützer nötig, der ein Brandschutzkonzept und ein Brandschutznachweis erstellt. Und dann sind wir so, dass letztes Glied in der Kette, was dazu gerufen wird, was man vorher nicht auf dem Schirm hatte. Im Industriebau ist das aber nicht so. Da sind wir relativ häufig ganz früh mit dabei.
André Gesellchen: Dann haben wir jetzt ja geklärt, was sind Industriebauten und welche Knackpunkte gibt es da vielleicht auch in den Projekten. Wir wollen ja heute vor allem auch darüber sprechen, welche besonderen Herausforderungen bietet denn der Brandschutz im Industriebau heutzutage. Was sind da so die herausstechenden Punkte, wo Sie sagen würden, da hat sich in den letzten Jahren, vielleicht auch über die letzten Jahrzehnte, was getan im Industriebau, einfach Dinge, auf die wir jetzt neue Antworten brauchen, auch als Brandschützer?
Michael Hamacher: Da sind definitiv die übergroßen Brandabschnitte zu nennen, die die Großlogistiker brauchen. Je automatisierter das Ganze wird, umso wichtiger wird es, dass wir nicht alle 10.000 Quadratmeter eine Brandwand haben. Die stören einfach, weil man bei den robotergetriebenen Auto-Stores zum Beispiel ganz schlecht Förderabschlüsse realisieren kann. Die fahren ja autark einfach über den Boden. Das gilt es sicherzustellen. Insofern macht es da Sinn, die Brandabschnitte größer zu machen, wenn das Ganze dann vertretbar ist. Wir haben die Schutzziele einzuhalten und es gibt Möglichkeiten, Brandabschnitte über 10.000 Quadratmeter, das ist so die klassische Grenze, die die Industriebaurichtlinie in den Verfahren mit pauschalen Brandlösten kennt. Und die Großlogistiker können eben nicht mit der Brandlastberechnung agieren, wie ich eingangs schon erwähnt habe. Wie zum Beispiel jetzt bei der Fahrzeugindustrie - wenig Brandlasten. Das passt nicht auf einen Großlogistiker. Die sind bis unter das Dach voll mit Brandlasten. Das heißt, man rutscht automatisch weg aus diesem Verfahren mit der Brandlastermittlung, weil es sich nicht abbilden lässt. Dieses Pauschalverfahren, was die Industriebaurechtlinie kennt, ist der sogenannte Abschnitt 6. Da wären die Grenzen bei 10.000 Quadratmetern mit Sprinklerungen. Das ist die Obergrenze. Wir brauchen aber an der Stelle halt die Brandabschnitte, die deutlich größer werden und auch realisierbar sind. Die Industriebaurichtlinie hat aber auch hierzu das richtige Mittel an Bord, das ist die Ziffer 4.3. Das sind die Nachweise mit dem Brandschutzingenieurwesen. Das fängt bei der Simulation an, kann aber auch ein rein argumentativer Nachweis sein. Und über diesen Weg kann man tatsächlich die beiden etablierten Verfahren der Brandlastberechnung und auch der Verfahren mit den festen Grenzen in so weit umgehen, dass es keine Abweichung darstellt, sondern ein tatsächlich rechtlich definierter Weg ist, um diese übergroßen Brandabschlüsse zu realisieren. Dabei gilt es einfach zu untersuchen, ob das unter den Schutzzielen aus der Landesbauordnung vertretbar ist, die großen Brandabschnitte machen zu können.
André Gesellchen: Gibt es da weitere Themen noch, die in der Industrie aktuell herausfordernd sind,so Trends? Beispielsweise sprechen wir im Brandschutz viel über Lithium-Ionen-Batterien, die auch bei großen Logistikern sicherlich viel gelagert werden. Ist das ein Thema oder kann man dieses Risiko ganz gut beherrschen durch die ganz klassischen Methoden?
Michael Hamacher: Das Gebäude wird grundsätzlich erstmal nach der Industriebaurichtlinie beurteilt. Da gibt es jetzt keinen Passus, der mir vorgibt, dass wenn ich Lithium-Ionen-Akkus lagere, dort die Grenzen niedriger setzen muss oder nicht. Das heißt, die reine Betrachtung, Brandabschnitte, Tragwerk etc. ergibt sich ganz regulär aus der Industriebau-Richtlinie und dann darüber hinaus wird dann die Betrachtung erforderlich, wie gehen wir mit den Akkus um. Das gibt es in unterschiedlichen Dimensionen. Ich habe den Logistiker, der hin und wieder mal einen Akku dabei hat, wir haben aber auch schon ein Zentrallager für einen Werkzeugproduzenten gemacht, wo in jeder Euro-Palette 30, 40 größere Akku Packs aus Lithium-Ionen-Akkus lagen. Das erhöht das Risiko natürlich ganz massiv und wir sind tatsächlich gerade auch involviert in eine große Batterieproduktion für die Fahrzeugindustrie. Da reden wir natürlich von ganz anderen Batteriedimensionen und Risiken, die man da abdecken muss. Wie gesagt, das Ganze sattelt dann auf die Grundbetrachtung nach der Industriebaurichtlinie auf und man muss entsprechende Schutzszenarien entwickeln. Was man aber sagen muss, gibt es auch ein unterschiedliches Verständnis bei den Beteiligten. Das hängt immer davon ab, wie intensiv man sich auch mit dem Thema beschäftigt. Der Akku an sich, wenn er als neu produzierter Akku kommt, der kommt irgendwo aus Asien, der wird ja ausgeladen, wird dann bei einem Großlogistiker eingelagert. Der macht uns nicht die großen Sorgen. Natürlich kann er auch bei einem Brandereignis spannend werden. Wenn ich ein irgendwie geartetes Brandereignis habe, das geht aber in der Regel nicht vom Lithium-Ion-Akku aus, weil der hat eine Grundladung und der hat schon eine ganz lange Reise hinter sich, das heißt, hätte der eine Störung, die dazu führt, dass der Akku hochgeht, wäre das schon längst passiert. Da ist der Akku als Zündquelle gar nicht das spannende Thema, sondern da muss man betrachten, wenn es denn jetzt mal brennt, warum auch immer, wie verhält sich dieses Lagergut, was passiert hinsichtlich der Ausdehnungsbrandereignisse. Auf der anderen Seite haben wir dann die produzierenden Gewerbe, die die Akkus herstellen und das ist deutlich kritischer, wenn in dem Moment, wo die Akkus fertig produziert sind, werden sie das erste Mal geladen. Und erst dann merkt man, ob die Zellen defekt sind. Und da kann es dann zu einem Brandereignis kommen. Das Ganze gilt es halt zu betrachten, Maßnahmen zu ergreifen, dass dann in beiden Fällen natürlich das Gebäude nicht sofort den ultimativen Schaden erleidet, sprich den Totalverlust.
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André Gesellchen: Sind eigentlich Recyclingbetriebe auch Industriebauten, weil da weiß man ja, da landen leider auch Akkus im Müll, auch wo sie vielleicht nicht hingehören und lösen regelmäßig Brände aus. Ist das ein Bestandteil des Industriebaus?
Michael Hamacher: Hängt natürlich vom Gebäude ab, ob das Gebäude grundsätzlich in die Industriebaurichtlinie fällt. In der Regel ist das natürlich so. Und dann haben wir die gleiche Betrachtung. Es geht erstmal nach der Industriebaurichtlinie. Und dann kommt darüber hinaus wieder die Betrachtung, was haben wir denn für Stoffe, die da recycelt werden. Das haben wir ja grundsätzlich. Aber wenn wir Sekundärkunststoffe haben, die recycelt werden, muss man entsprechend das Ganze über die Industriebaurichtlinien hinaus betrachten. Und genauso gehen wir auch mit Akkus um, und das fängt bei den kleinen Akkus an. Der Trend, die E-Zigarette, da sind unfassbar viele kleine Akkus unterwegs. Die machen Gott sei Dank nicht so ein großes Brandrisiko. Aber das ist ein Umweltthema, was wir da haben. Wo wir Gott sei Dank als Brandschützer nur eine Randnotiz von nehmen. Aber auch größere Akkus. Fängt bei den Akkus für die Gartengeräte an, die entsprechende Leistung brauchen, bis hin zu dem Verwerter von Elektrofahrzeugen. Da haben wir auch schon den ein oder anderen begleitet. Da geht es in erster Linie darum, was passiert, wenn die Autos dann angeliefert werden. Das ist doch der kritische Punkt, dass es kurz nach dem Unfall, dass es da unter Umständen zu einer Wiederentzündung kommen kann. Deshalb werden entsprechende Quarantäneboxen, so nennen wir die, gebaut, wo das Auto durchaus in Brand geraten kann, ohne dass der Betrieb ein umfangreiches Feuer erlebt und das ist dann beschränkt auf diese Boxen bis hin zu Maßnahmen, wenn das Auto dann tatsächlich in die Verwertung kommt. Es wird ausgeschlachtet, an der Stelle kann es dann auch nochmal dadurch, dass die Kabel alle gekappt werden, dass die Batterie vielleicht auch hinfällt, wie auch immer, noch mal zu einem Brandereignis kommen. Und da gibt es verschiedene Lösungsansätze. Wir haben einen Recycler, der hat eine Bühne gebaut, wo er das Auto auseinandernimmt. Und unter der Bühne ist ein Wasserbecken. Wenn er merkt, es geht irgendwas schief, kann er das Auto direkt unter der Bühne in ein Wasserbecken fahren und dann ist das ganze Problem aus der Welt. Es gibt verschiedenste Ansätze.
André Gesellchen: Das heißt, man kann auch wirklich auf flexible und clevere Lösungen kommen, dann ganz genau abgestimmt auf das, was in dem Betrieb selber auch passiert.
Michael Hamacher: Das ist ja genau unsere Herausforderung. Die Industriebau-Richtlinien ist aufgrund der Matrix alleine schon so gut gemacht, dass man, wenn man das Werk von oben nach unten anwendet, den Industriebau genehmigungsfähig hinbekommt. Jetzt geht es ja gerade um die Industriebauten, die eben nicht diese 1800 Quadratmeter Halle sind, sondern die fangen wieder beim Großlogistiker an. Wie weist man das nach, dass man über 10.000 Quadratmeter Brandabschnitte realisieren kann? Wie geht man mit den Batterien um? Und da ist eben das nochmal gefragt, da braucht man die Spezialisten, die viel Industriebau machen.
André Gesellchen: Da müssen Sie doch eigentlich als derjenige, der den vorbeugenden Brandschutz in dem Industriebau plant, schon sehr, sehr genau wissen, was wird in dem Betrieb später passieren? Wer arbeitet da? Was wird wo gelagert? Liegen diese Informationen denn in der Regel dann auch so vor, dass sie für Sie nutzbar sind?
Michael Hamacher: Tatsächlich ja. Also gerade wenn wir jetzt in die Batterieproduktion mal gucken, wo wir uns jetzt lange damit beschäftigt haben, da ist das so, dass wir tatsächlich zu jedem einzelnen Prozess die komplette Prozessbeschreibung haben. Deshalb ist da natürlich auch die Geheimhaltung sehr wichtig, weil wir hinter die Kulissen gucken. Wir wissen, wie der Prozess läuft. Wir wissen, wo das Risiko im Prozess besteht. Das sind natürlich Aspekte, die man komplett durchleuchten muss. Wo man dann denkt, an der Stelle wird die Zelle das erste Mal eingelagert. Das könnte ein kritischer Moment sein. Ist es aber gar nicht. Tatsächlich ist es der Punkt, wo die Zelle das erste Mal an den Strom gehangen wird zum Grundladen bzw. zur Befüllung. Das sind so die Punkte, wo es kritisch wird. Dazu muss man die Prozesse kennen. Die Hersteller wissen das auch und sind da tatsächlich auch sehr informationsbereit.
André Gesellchen: Da hätte ich noch eine Frage, die sich daran anschließt. Nehmen wir mal an, der Industriebau geht jetzt in Betrieb, der Brandschutz ist genehmigt, mängelfrei errichtet – alles wunderbar, soweit wir das aus dem Blickwinkel des vorbeugenden Brandschutzes dann betrachten. Aber so ein Gebäude oder so ein Betrieb, der lebt ja, der verändert sich. Und das kann auch schnell gehen. Es kann doch sein, dass nach einigen Jahren die Abläufe in dem Unternehmen ganz andere sind, dass man vielleicht ganz andere Grundstoffe lagert, weil man die jetzt für neue Produkte braucht, die man produzieren will, andere Maschinen als ursprünglich. Ist auch die Brandschutzinfrastruktur ein entsprechend mit sich veränderndes System? Und wie funktioniert dieser Transfer aus den betrieblichen Gegebenheiten dann hin zum Brandschutz? Ist man da als Planer noch dran beteiligt oder ist das ein rein betriebliches Thema am Ende des Tages?
Michael Hamacher: Ob wir grundsätzlich daran beteiligt sind, hängt tatsächlich auch von uns ab in dem Bereich der ersten Planung. Je geschickter das Brandschutzkonzept geschrieben ist, umso einfacher hat der Bauherr es nachher. Wenn wir von vornherein das so definieren, dass der Bauherr sich in den Grenzen der Industriebaurichtlinie bewegen darf, sprich, man schreibt auf, die Hauptgänge sind erforderlich, sodass man eben 15 Meter erreichen kann, der Hauptgang ist zwei Meter breit. Und ich schreibe nicht fest, der muss genau in der Achse drei liegen, sondern die sind halt so anzuordnen, wie wir es definiert haben, ist der Bauherr da auch entsprechend flexibel. Schreibe ich das Brandschusskonzept jetzt so, dass es ganz eng betrachtet wird, dass ich genau sage, wo die Hauptgänge sind, dass ich genau sage, an der Stelle hat er eine Produktion, an der Stelle hat er eine Lagerung und schreibe das fest, ist er natürlich da sehr eingegrenzt in seinen Möglichkeiten und müsste theoretisch, wenn man das sehr formell betrachtet, jede Änderung, die von dieser Beschreibung abweicht, unter Umständen auch einer neuen Genehmigung zu führen. Das heißt jetzt nicht, dass wir ein Brandschutzkonzept so schreiben können, dass das alles völlig unbestimmt ist, das bleibt schon bestimmt, aber im Rahmen der Grenzen. Hab ich also, wenn ich jetzt zum Beispiel in dem Abschnitt 6 unterwegs bin, mit den Pauschalansätzen, die Brandlast egal ist, in einem Bereich der Halle Produktion, in dem anderen Lager und halte meine Randbedingungen, Rettungswege, Hauptgänge etc. ein - dann ist es durchaus möglich, dass ich diese beiden Bereiche auch mal tausche. Da spricht überhaupt nichts gegen. Wenn es denn so definiert ist, dass er das auch entsprechend machen kann, weil das alles in den Grenzen der Industriebaurichtlinie passiert. Insofern ist der Planer auch von vornherein gefragt, das sauber zu definieren. Jetzt kommt natürlich dazu, was macht die brandschutztechnische Infrastruktur? Baut er ein Meisterbüro ein zum Beispiel und da ist eine Brandmeldeanlage drin, muss er darauf achten, dass dann auch der Rauchmelder natürlich runtergezogen wird in das Meisterbüro. Oder wenn ich mein Lagergut ändere, da spricht mir erst gar nichts gegen. Wenn ich überwiegend Metallteile habe und aufgrund der Brandabschnittsgröße habe ich eine Sprinklerung, dann hat die relativ geringe Anforderung hinsichtlich der Risikoklassifizierung. Jetzt stellt er plötzlich seine Lagerung von Metallboxen auf Boxen aus geschäumten Kunststoffen um, hat er auf einmal die Risikoklassifizierung der Löschanlage nicht mehr, dann muss er die ganze Löschanlage anpassen an das neue Risiko. Was nicht heißt, dass er unbedingt eine Baugenehmigung beantragen muss, wenn das sauber vorher definiert wurde. Aber dann muss er den Anlagentechnikschutz auf dem Schirm haben und den entsprechend anpassen. Da ist natürlich der Betreiber des Gebäudes auch gefordert, dass er gut beraten ist, sei es durch interne Mitarbeiter - ein Brandschutzbeauftragter kann ja durchaus intern im Unternehmen tätig sein, der so viel Kenntnis hat, dass er das alles auf dem Schirm hat, und den Betreiber entsprechend berät oder - das ist natürlich gerade bei etwas größeren Industriebauten, bei produzierenden Gewerken nötig - dass man einfach einen guten Kontakt auch zu seinem Brandschutzsachverständigen hält und dass der weiter beratend tätig ist, dass er zwischendurch mal sagt, hier schau mal jetzt, hier gibt es Änderungen, müssen wir was machen oder nicht. Mit der entsprechenden Beratung weiß der Betreiber dann auch, wohin die Reise gehen muss. Der schlechteste Fall ist natürlich, dass erst dann, wenn die Bauaufsicht an die Nase rankriegt und plötzlich ein Ordnungsverfahren auslöst, mit einer Anhörung, das Ganze glattgezogen werden muss, das ist so der ungünstigste Fall oder dass von der Brandschau plötzlich auftaucht, dass er seine ganze Produktion geändert hat, die Hauptgänge entsprechen nicht mehr den Vorgaben... Das ist der ungünstigste Weg, weil dann auch natürlich die Bereitschaft auf der Behördenseite ein bisschen eingeschränkt ist, weil sie den natürlich immer wieder als Delinquenten sehen, der sich nicht an Recht und Gesetz hält, obwohl er es vielleicht gar nicht müsste, weil er eben nicht die richtigen Berater an seiner Seite hat.
André Gesellchen: Sie haben jetzt ja schon verschiedentlich die Muster-Industrie-Baurichtlinie oder die Industrie-Baurichtlinie, die ja fast unverändert in allen Bundesländern in Deutschland so eingeführt ist, angeführt und uns da einige Einblicke gegeben. Wenn Sie dem Werkzeugkasten Industrie-Baurichtlinie eine Schulnote geben müssten, wie gut ist der für Sie, um die Probleme zu lösen, die Sie in modernen Industriebauten haben? Wo würden Sie da landen?
Michael Hamacher: Würde ich eine Zwei vergeben. Die Industriebaurichtlinie oder Muster-Industrie-Baurichtlinie hat sehr viele Mittel, die für nahezu alle Industriebauten eigentlich geeignet ist, das ganze genehmigungsfähig hinzukriegen. Es sind so ein paar Randbedingungen, in denen das ganze so ein bisschen hakt. Das eine ist, ich kann mich frei bewegen, wenn ich Industriebauten habe, die größere Brandabschnitte erfordere. Dafür gibt es das Verfahren nach Ziffer 4.3, das ist alles definiert. Auf der anderen Seite habe ich aber nicht unbedingt jemanden auf der Behördenseite sitzen, der so tief im Brandschutzthema ist, dass er mit den Nachweisenm die in 18.0 oder in Teil 1, also den Ingenieur-Nachweis, den wir da führen, auch umgehen kann. Wie tief kann derjenige, der da sitzt, das Ganze prüfen. Wenn ich da jetzt natürlich ein Verhältnis habe, wie es in vielen Bundesländern etabliert ist, dass ich einen Brandschutzprüfsachverständigen oder Prüfingenieur habe, der hat natürlich in der Regel mehr Mittel, das Ganze zu prüfen, als eine Untere Bauaufsichtsbehörde in einer kleinen Stadt. Die sind natürlich sehr schnell dort mit dem tiefen Wissen am Ende, was auch völlig okay ist. Die haben ja viel mehr andere Themen noch - Stellplätze, Barrierefreiheit und nicht nur den Brandschutz. Aber an der Stelle ist immer die Frage, kann mein Gegenüber mit den Ingenieur-Nachweisen auch wirklich umgehen? Kann es das beurteilen oder schränkt uns das im Verfahren ein? Natürlich haben die Behörden grundsätzlich das Rechtsmittel da auch, sich einen Sachverständigen an die Seite zu nehmen. Das wird leider nicht immer praktiziert und man dreht sich manchmal ein bisschen im Kreis. Deshalb wäre es schöner, wenn es eben nicht nur in der Industriebaurichtlinie verankert ist, dass wir das in diesem Rahmen anwenden dürfen, sondern dass es ein bisschen tiefer greifend ist, dass einfach auch aufgezeigt wird: Was ist damit gemeint? Dass man zum Beispiel auch übergroße Brandabschnitte machen kann, dass das auch einfach mal in Form von Beispielen vielleicht in der Erläuterung aufgezeigt wird. Anderes Thema, was wir haben, ist gerade einfach die Entwicklung der sogenannten Picktower, also quasi mehrgeschossige Kommissionier-Regale. Da gibt es gerade eine Änderung in der Musterbauordnung, die intensive Auswirkungen haben kann. Die Musterbauordnung sagt, dass Regalsysteme, wenn sie denn Erschließungsfunktionen auch haben, durchaus bauliche Anlagen sind. Im Umkehrschluss kann das bedeuten, dass diese Regalanlagen, wenn sie denn Erschließungsebenen auf einem höheren Niveau haben, gegenüber der Grundfläche, auch als Einbauten oder Geschosse zu bewerten sind. In dem Moment ist man natürlich in den Grenzen der Industriebaurichtlinie unterwegs und kann das Ganze als Geschoss, wenn es nicht raumabschließend ist, gar nicht abbilden im Pauschalverfahren. Und wenn es ein Einbau ist, habe ich sehr begrenzte Größen. Dann ist die Frage, ob das der richtige Weg ist, dass durch diese Vorgabe aus der Musterbauordnung das Ganze in diese Richtung gelenkt wird. Früher waren Regalanlagen, auch wenn sie begehbar waren, Regale und keine baulichen Anlagen. Das heißt, sie gehörten nicht zur Gebäudestruktur. Sie bildeten keine Einbauten oder Geschosse. Und das kann den Picktower, weil das teilweise sehr komplexe Anlagen sind, sehr umfangreicher Anlagen bei den Großlogistikern, rechtlich durchaus einschränken. Und da fehlt einfach eine saubere Definition bzw. das Verständnis, dass hier die Industriebaurichtlinie unter Umständen ein bisschen mehr Ergänzung oder Erläuterung braucht, damit diese Bauwerke zukünftig auch weiter möglich sind.
André Gesellchen: Das heißt, Sie sehen so im Detail Verbesserungsmöglichkeiten oder noch die Option für mehr Erklärung. Aber die Richtlinie bringt schon viel mit, wenn ich Sie so richtig verstanden habe, um auch auf diese große Bandbreite, über die wir am Anfang gesprochen hatten, den Herausforderungen im Industriebau, Antworten zu finden.
Michael Hamacher: Die Industriebaurichtlinie ist ja über die technische Baubestimmung eingeführt. Tatsächlich auch mit dem Hinweis, also in den meisten Bundesländern ist das so, dass ich Abweichung hiervon nicht wie bei einer Abweichung von einer technischen Regel anwenden darf, sondern ich muss tatsächlich als Abweichung vom Baurecht im Einzelfall das Ganze betrachten und begründen. Aber genau über diesen Weg lassen sich solche Sachen natürlich realisieren. Das heißt auch jetzt, wo mir diese Feinheiten fehlen, habe ich die Chance, es zu realisieren. Da die Industriebaurichtlinie aber ansonsten ein sehr umfangreiches Mittel ist, um nahezu alle gängigen Industriebauten abzubilden und auch sehr schlüssig ist - also wir haben Sonderbauvorschriften, die deutlich sperriger zu lesen sind als die Industriebaurichtlinie - insofern würde ich nach wie vor zu einer guten Note tendieren. Der Rest sind wirklich Feinheiten, die mal klargestellt oder erläutert werden sollen.
André Gesellchen: Es muss ja auch immer noch Luft nach oben geben. Herr Hamacher, herzlichen Dank für diese Einblicke heute, wo wir mal herausgearbeitet haben: Was ist eigentlich ein Industriebau? Was gibt es da für Herausforderungen? Wo sind vielleicht Knackpunkte in der Planung und in der Zusammenarbeit auch mit den Auftraggebern an der Stelle? Ich fand das sehr aufschlussreich. Freue mich sehr, dass Sie sich Zeit genommen haben, mir darüber zu sprechen heute.
Michael Hamacher: Ja, ganz herzlichen Dank. Ich freue mich auf die erste Folge.
André Gesellchen: Ja, und liebe Hörerinnen, liebe Hörer, ich hoffe, Sie konnten auch viel mitnehmen aus unserem heutigen Gespräch und am besten Sie abonnieren Feuer Trutz On Air direkt in den nächsten Folgen dieser ersten Staffel, die sich ja alle erst mal um den Brandschutz im Industriebau drehen werden, da tauchen wir noch tiefer ein in einzelne Aspekte. Da kann ich versprechen, auch das wird spannend werden. Für heute sage ich auf Wiederhören und bis zum nächsten Mal.
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